Die DGE täuscht die Öffentlichkeit mit neuer Pressemeldung
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Am 16. März 2010 veröffentlichte die DGE dann doch noch ihre angekündigte Pressemeldung zum Thema „Fett“.

http://www.dge.de/modules.php?name=News&...e&sid=1024

Eine ausführlichere Darstellung mit Literaturhinweisen zu diesem Thema gibt es auch noch unter: http://www.dge.de/pdf/ws/100315_SFA_Statement.pdf

Ich muss gestehen, die DGE hat meine Erwartungen übertroffen - im Positiven wie im Negativen.

Die gute Nachricht zuerst:

Sie hat wenigstens in einem Punkt die Öffentlichkeit korrekt informiert! Sie gesteht ein:
„Neue zusammenfassende Auswertungen publizierter Studien zeigen, dass bei isolierter Betrachtung der gesättigten Fettsäuren kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Zufuhr von gesättigten Fettsäuren und dem Risiko für koronare Herzkrankheit bzw. Herz-Kreislauf-Krankheiten besteht.“

Die DGE wäre aber nicht die DGE, wenn sie nicht gleich wieder einschränkte, dass dies nicht viel zu bedeuten hätte, denn "...die isolierte Betrachtung eines Nährstoffs – hier der gesättigten Fettsäuren – (wird) der tatsächlichen Ernährung nicht gerecht".

Das ist sehr weise, aber auch sehr verblüffend. Hat doch diese Ernährungsfachgesellschaft in den letzten Jahrzehnten Nahrungsmittel immer auf Grund ihres Gehaltes an isoliert betrachteten gesättigten Fettsäuren (SAFA) als gesundheitlich bedenklich bewertet. So wurde von der DGE beispielsweise das Fleischfett als Herz-Kreislaufrisiko eingestuft, obwohl Rinderfett gleichviel und Schweine- oder Geflügelfett sogar deutlich mehr ungesättigte als gesättigte Fettsäuren enthält. Vollfette Milchprodukte wurden als bedenklich eingestuft, obwohl ein Großteil der gesättigten Fette darin kurzkettig und ohne Einfluss auf den Cholesterinstoffwechsel ist und der Konsum von Milchprodukten in der Epidemiologie invers mit Herz- und Hirninfarkt in Beziehung steht.

Und nun die schlechte Nachricht:

Sie täuscht auch weiterhin in Fettfragen die Öffentlichkeit!

Sie zitiert zum Einfluss der diätetischen Intervention die Metaanalyse von Skeaff & Miller (2009) - aber nicht korrekt. Deren zentrales Ergebnis zur Fettreduktion oder Fettmodifikation lautet tatsächlich wie folgt:

Der Austausch von SAFA gegen PUFA erbrachte keine signifikante Senkung in den harten Endpunkten – weder in Bezug auf KHK-Tod (Relatives Risiko 0,84; KI 0,62-1,12) noch in Bezug auf Gesamt-Sterblichkeit (Relatives Risiko 0,88; KI 0,76-1,02). Hinsichtlich des weichen Endpunkts KHK-Ereignisse fand sich eine marginal signifikante Abnahme (Relatives Risiko 0,83; KI 0,69-1,00). Weiterhin wurden von Skeaff & Miller (2009) noch zwei Interventionsstudien mit Fettreduktion zu KHK-Tod und zwei zu KHK-Ereignissen bzw. nicht-tödlichem Hirninfarkt und Gesamtsterblichkeit dargestellt. Deren Ergebnis: Es findet sich nicht einmal im Trend eine Senkung des Risikos.

Über all diese Ergebnisse der Metaanalysen berichtet die DGE tatsächlich mit keinem Wort! Stattdessen findet sich in der Pressemeldung folgendes Statement: In der Metaanalyse „...wird anhand von Interventionsstudien ein um 48 % gesenktes Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt und ein um 32 % gesenktes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse durch eine verminderte Zufuhr von gesättigten und eine erhöhte Zufuhr von mehrfach ungesättigten Fettsäuren festgestellt...“

Woher kommen diese beeindruckenden Zahlen? Ganz einfach: Aus einer passenden Untergruppenanalyse!

Die DGE zieht es unter Federführung von Prof. Günther Wolfram vor, die Öffentlichkeit nicht über das zentrale Gesamtergebnis zu informieren! Hinzu kommt, dass die gewählte Untergruppenanalyse entscheidend von zwei Studien beeinflusst wird, die methodisch bekanntermaßen problematisch sind: Die „Finnish Mental Hospital Study“ war keine randomisierte Studie und hätte nach vorgegebenen Kriterien nicht in die Metaanalyse aufgenommen werden dürfen. Und in der „Oslo-Study“ wurde in den 60er Jahren Margarine mit hohem Anteil an Fischfetten eingesetzt, so dass ein Confounding durch Omega-3-Fettsäuren nahe liegt und sie deshalb auch in früheren Metaanalysen entsprechend gesondert behandelt wurde (Hooper et al. 2001).

An Stelle der tatsächlich durchgeführten Interventionsstudien zitiert die DGE lieber aus einer Modelrechnung von Jakobsen et al. (2009): "...Eine Analyse von 11 Kohortenstudien ergab, dass eine verringerte Zufuhr gesättigter Fettsäuren um 5 % der Energiezufuhr und eine gleichzeitige Erhöhung der Zufuhr mehrfach ungesättigter n-6 Fettsäuren mit einem um 13 % gesenkten Risiko für koronare Ereignisse und einem um 26 % gesenkten Risiko für koronare Todesfälle verbunden ist..."

Dieser verblüffende "Präventionserfolg" ist allerdings nur eine Fiktion, eine Hochrechnung der Ergebnisse von Kohortenstudien zur Frage, was theoretisch an Effekten zu erwarten wäre, wenn Menschen die Zufuhr von SAFA senken und im Austausch die PUFA vermehrt verzehren würden. Die Beobachtungsstudien wurden dabei so behandelt, als wären es Interventionsstudien – unter der Bedingung, dass Menschen alle Empfehlung einhalten würden und sonst nichts in ihrem Leben änderten. Oder anders ausgedrückt: Eine nette statistische Spielerei, reine Spekulation, die entsprechend bei evidenzbasierter Medizin keinen Platz hat.

Die DGE hat ein Leitbild: „Der Wissenschaft verpflichtet“. Als ihre Ziele und Aufgaben nennt sie, „ernährungswissenschaftliche Erkenntnisse zu vermitteln und die Gesundheit der Bevölkerung durch gezielte, wissenschaftlich fundierte und unabhängige Ernährungsaufklärung und Qualitätssicherung zu fördern“.

Ach ja, noch eine Anmerkung zum Schluss: Die DGE schreibt in Ihrer PM immer von "Herz-Kreislauf-Krankheiten" und "kardiovaskulären Ereignissen". Das ist faktisch falsch! Die von der DGE zitierte Metaanalyse von Skeaff & Miller (2009) und auch die Modellrechnung von Jakobsen et al. (2009) beziehen sich ausschließlich auf Koronare Herzkrankeit. Das ist ein gewaltiger Unterschied! Die "Herz-Kreislauferkrankungen" umfassen zusätzlich auch noch Hirninfarkt und andere vaskuläre Ereignisse.*

Aber so eine kleine Ungenauigkeit sollte man unserer sonst so ehrenwert umsichtig arbeitenden Fachgesellschaft doch nachsehen.

Viele Grüße,
Nicolai Worm


* Der ICD „Krankheiten des Kreislaufsystems“ umfasst mit den Codes I00 bis I99

- akutes rheumatisches Fieber,
- chronische rheumatische Herzkrankheiten (z. B. rheumatische Mitralklappenstenose),
- Bluthochdruck (Hypertonie),
- ischämische Herzkrankheiten (z. B. koronare Herzkrankheit und Herzinfarkt),
- das Cor pulmonale und Krankheiten des Lungenkreislaufes (z. B. pulmonale Hypertonie),
- sonstige Herzkrankheiten (z. B. Perikarditis, Endokarditis, nichtrheumatische Herzklappenfehler),
- zerebrovaskuläre Krankheiten (z. B. Hirnblutung und Hirninfarkt),
- Krankheiten der Arterien, Arteriolen und Kapillaren (z. B. arterielle Verschlusskrankheit),
- anderenorts nicht klassifizierte Krankheiten der Venen (z. B. Thrombose, Krampfadern), der Lymphgefäße und der Lymphknoten
- sonstige Krankheiten des Kreislaufsystems (z. B. Hypotonie, Ösophagusvarizen).
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